Die letzte Prüfung - 3. Kapitel

Sie saßen nebeneinander auf der Holzbank am Waldrand und lauschten dem Rauschen der Blätter in den Baumkronen über ihnen.Seit Lena ihm nähergekommen war, hatte sie wieder so etwas wie Hoffnung verspürt. Eines Tages würden sie beide es geschafft haben und von hier verschwinden können. Vielleicht würden sie in ein paar Jahren sogar zusammen Kinder haben. Niemand müsste wissen, was für eine Vergangenheit sie beide hatten, doch sobald ihre Kinder alt genug wären, könnten sie sie davon abhalten, denselben Fehler zu begehen.

Die Strahlen der Herbstsonne erwärmten ihre Haut, Kevins Hand lag sanft auf ihrer Schulter, was ihr trotz der unmittelbaren Nähe zu diesem Ort, an dem sie nichts durfte, außer sich dieser militärhaften Struktur zu fügen, ein Gefühl der Geborgenheit schenkte.

»Komm, lass uns ein wenig spazieren gehen, in Ordnung?«, fragte Kevin.

Lena blickte in seine dunkelblauen Augen, die so sehr leuchteten, dass sie beinahe unecht wirkten. Einige Strähnen seiner lockigen, blonden Haare fielen ihm in die Stirn. Das Gefühl, das sie empfand, war tief, ja, es musste Liebe sein.

»Was ist? Wollen wir?«, hakte Kevin lächelnd nach.

Lena nickte, ließ sich von seiner Hand führen und folgte ihm über die grüne, verwilderte Wiese neben dem Wald. Sie lächelte. Sie war glücklich. Unendlich glücklich. Bis zu dem Moment, in dem sie plötzlich realisierte, dass er ihre Hand losgelassen hatte. Sie blickte um sich.

»Kevin? Kevin!«

Panik breitete sich in ihr aus.

»Kevin!! Das ist nicht witzig!«

Lena blieb stehen, starrte auf die Holzbank, auf der sie eben noch gesessen hatten. Das Rascheln der Blätter war verstummt, das Licht der Herbstsonne verschwand, um sie herum wurde es mit jeder Sekunde dunkler.

Ein Vibrieren unter ihren Füßen ließ sie zusammenschrecken und kurz darauf losrennen. Die Wiese war bereits in Dunkelheit getaucht, sie erkannte nichts mehr um sich herum, rannte immer schneller, ihre Lunge begann zu schmerzen, das Atmen fiel ihr immer schwerer.

Plötzlich verwandelte sich die Vibration unter ihren Füßen zu einem lauten Beben, der Boden fiel auseinander, Stück für Stück. Lena ruderte mit den Armen, suchte verzweifelt nach Halt, nach irgendetwas, was sie vor dem Sturz retten konnte. Im nächsten Moment spürte sie etwas Hartes an ihrem Hinterkopf. Sie öffnete die Augen, doch noch immer war alles dunkel um sie herum. Bis auf eine kleine Stelle am anderen Ende des ... war es ein Zimmer? Ein Haus?

Es roch nach abgestandenem Schweiß, die Luft war warm und dick, sie musste durch den Mund atmen, um den Geruch zu ertragen. Mit letzter Kraft kämpfte sie sich auf die Beine.

Dieses Licht, oder eher dieses Flackern, wie von einer jeden Moment erlöschenden Kerze, zog sie magisch an, und sie ging hinüber zu der Ecke des Raumes, aus dem es kam. Sie kniete sich neben das, was von der einst riesigen, blutroten Kerze übrig geblieben war, und betrachtete die schwache Flamme, als wäre sie ein äußerst seltenes Tier, das sie so eben entdeckt hatte. Sie verstand nicht, weshalb dieses flackernde Licht sie derart in seinen Bann zog.

»Le ...«

Lena zuckte zusammen. Wessen Stimme war das? Und wieso klang sie so beängstigend nah?

»Lena ...«, hörte sie die Stimme nun deutlicher. Und erkannte sie.

»Kevin! Sag mir, wo du bist, ich hole dich da raus!«

In diesem Moment erlosch das Licht der Kerze endgültig, und Lena erkannte ihre eigene Hand vor dem Gesicht nicht mehr.

»Kevin! Sag doch etwas!«

Stille. Kein Ton, nichts. Als wäre die Stimme nie da gewesen.

Lena tastete sich auf allen Vieren über den Holzboden, bis plötzlich etwas Spitziges sich in ihre Handfläche bohrte und sie aufschreien ließ. Mit der anderen Hand griff sie nach dem Gegenstand, von dem sie zunächst sicher gewesen war, dass es nur ein fieser, langer Holzsplitter gewesen sein konnte. Sie spürte, wie warmes Blut aus ihrer Handfläche floss, während sie den Splitter mit einem Ruck herauszog und begriff, was es wirklich war.

Eine Spritze.

Was machte eine verfluchte Spritze an diesem Ort, und wo war sie hier überhaupt? Und wo war Kevin? Verzweifelt schrie sie immer und immer wieder seinen Namen, spürte eine Träne der Verzweiflung über ihr Gesicht rollen.

Plötzlich ließ sie ein fester Druck um ihre Hand neue Hoffnung schöpfen.

»Kevin? Bis du es?«

Der Druck an ihrer Hand wurde fester. Lena öffnete die Augen und blickte in das Gesicht einer Frau. Dr. Schenker? Ja, es war Dr. Schenker. Sie lächelte sanft und tupfte mit einem kalten, feuchten Tuch über Lenas verschwitzte Stirn.

»Alles ist gut, Lena. Es war nur ein böser Traum.«

Lena blickte sich um. Sie lag im Büro des Heims auf dem Bett, das mehr einer Pritsche glich und nur für Notfälle gedacht war. Zum Beispiel, wenn jemand besondere Aufsicht benötigte. Warum war sie in diesem Zimmer? Und wann hatte der Albtraum überhaupt begonnen? Wo war Kevin?

»Wo ist Kevin?«, fragte Lena die Psychiaterin mit skeptischem Blick.

Wieder lächelte Dr. Schenker. »Wie wäre es, wenn du kurz duschen gehst und dann nach unten kommst? In fünfzehn Minuten treffen sich alle am großen Tisch. Es gibt tolle Neuigkeiten für die Gemeinschaft.«

Lena starrte Dr. Schenker an und grübelte. Das letzte Mal, als sie sich so verwirrt gefühlt hatte, war, als sie vor Jahren morgens an einen Geldautomaten gelehnt erwacht war. Sie hatte sich nicht mehr im Entferntesten an etwas erinnern können, was sie in jener Nacht erlebt hatte, doch irgendwann schien ihr Körper resigniert zu haben.

Resignation. Nichts anderes war es, das Lena schließlich dazu bewog, Dr. Schenker zu gehorchen und aufzustehen.

Ein böser Traum ...

So musste es sich anfühlen, wenn man neunzig Jahre alt war und nach einer Nacht im Krankenhaus oder Altersheim, in der man mit unzähligen Schlaf- und Schmerzmitteln vollgepumpt worden war, morgens aufstehen musste, dachte Lena bitter und verließ hinter der Ärztin das Büro.

* * *

Erst als es zum dritten Mal energisch an der Tür klopfte, zwang sich Lena, das warme Wasser auszuschalten, sich abzutrocknen und diese verwaschenen Kleider anzuziehen, zu denen sie absolut keinen Bezug hatte. Lena vermisste ihre alten, löchrigen Jeans, ihre viel zu großen Shirts, die alte schwarze Wolljacke ihrer Schwester.

Es sei nicht gut, die Kleider zu tragen, die einen mit der Vergangenheit verbanden, hatte man ihr erklärt, als sie ihr bei ihrer Ankunft alles genommen hatten, das ihr etwas bedeutete. Lena war sich sicher, diese Heimleute wollten nur eins; neue, ihren Vorstellungen entsprechende Mustermenschen erschaffen.

Sie hatte mindestens zwanzig Minuten im Bad verbracht, fünfzehn davon wie versteinert unter der Dusche, hatte es geschafft, alles Grauenhafte aus ihrem Kopf zu verbannen, doch jetzt plötzlich drangen die ganzen furchtbaren Bilder von vergangener Nacht zurück in ihr Bewusstsein. Kevin. Sie wollte sich nicht ausmalen, was diese Schweine ihm möglicherweise angetan hatten.

»Du weißt doch genau, wie sauer der Heimleiter wird, wenn wir zu spät kommen?!«, zischte Lenas Zimmergenossin Céline energisch, als Lena mit immer noch nassen Haaren aus dem Badezimmer kam.

»Und wenn schon«, erwiderte Lena. »Ist mir doch egal.«

Céline strich sich mit einer genervten Geste die dünnen, hellblonden Haare aus dem Gesicht und wandte sich von Lena ab. »Musst du wissen, ich lass mich heute nicht zwanzig Minuten über moralische Grundsätze zulabern«, sagte sie, während sie das Zimmer verließ, ohne sich dabei noch einmal umzudrehen.

* * *

»Lena, geht es dir gut?«, drang eine fürsorglich, fast mütterlich klingende Stimme zu ihr durch.

Lena zuckte zusammen und versuchte, sich auf einen bestimmten Punkt auf dem riesigen, in der Mitte der Wand hängenden Foto der Gemeinschaft zu konzentrieren, um die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Panik, weil sie nicht wusste, wie sie in diesen Raum und an diesen Tisch gekommen war. Doch auch der Anblick dieser verlogenen, falschen Glückseligkeit, die dieses Foto ausstrahlte, half ihr nicht dabei, sich zu erinnern, sondern saugte auch noch den letzten Rest Farbe aus ihrem Gesicht. Sie fühlte, dass sie wieder mal leichenblass wurde.

Dr. Schenker schaute Lena einen Moment lang so besorgt an, dass Lena ihre Fürsorge beinahe für echt hielt.

»Lena? Lena? Hörst du mich? Bist du noch bei uns?«, fragte die Ärztin, die zwischen dem Heimleiter und Ben saß. Ben war Mitte zwanzig und schon seit einigen Jahren in diesem Heim. Er gehörte schon fast zum Inventar. Ihm machte das nichts aus, wie er immer wieder beteuerte, ihm schien es in diesem Heim zu gefallen, und Lena hasste es, wie er sich ständig als Chef aufspielte.

»Entschuldigung, ja, ich bin … bin … da«, stotterte Lena leise, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch dafür war es bereits zu spät. Alle Augen im Raum waren auf sie gerichtet. Sie wusste, was alle über sie dachten. Dass sie nicht ganz richtig im Kopf war. Nur einer hatte das nicht gedacht, nur er hatte sie so respektiert, wie sie eben war. Und da fiel ihr alles wieder ein.

»Wo ist er? Wo ist Kevin, was habt ihr mit ihm angestellt?«, platzte es aus ihr heraus.

»Aber Lena, das habe ich doch gerade eben verkündet«, sagte der Heimleiter und setzte ein Lächeln auf, das vermutlich Mitgefühl hätte ausdrücken sollen.

»Ist es heute wieder etwas schlimmer, Lena?«, mischte Dr. Schenker sich ein. »Wie wäre es, wenn wir nach der Verkündungsrunde unter vier Augen darüber reden, hm?«

Lena ignorierte die Worte der Ärztin und starrte in das Gesicht des Heimleiters, den sie bis heute nicht hatte durchschauen können. Normalerweise fiel es ihr leicht zu verstehen, wie die Menschen tickten. Doch er machte ihr in letzter Zeit nur noch Angst. Seine schwarzen, für ihren Geschmack viel zu glänzenden Haare reichten beinahe bis zu seinen Augen, die er hinter einer professorenhaften, leicht getönten, runden Brille versteckte. Er wirkte wie jemand, der um jeden Preis wie ein alter, weiser Mann und zugleich wie ein junger, cooler Sportlehrer wirken wollte. Lena fragte sich, wie viel er von dem wusste, was hier vor sich ging, oder ob er wirklich so ahnungslos war, wie er vorgab zu sein.

Während er sie mit seinen Blicken durchbohrte, fühlte sie, wie ihr Puls immer mehr beschleunigte. Am liebsten wäre sie in diesem Moment aufgesprungen, aus dem Haus und zurück zum Pfarrer gerannt. Sie war sich ziemlich sicher, dass er ihr geglaubt hatte. Da war etwas in seinen Augen gewesen, was sie schon lange nicht mehr bei einem Menschen gesehen hatte. Menschlichkeit, Offenheit, Hilfsbereitschaft. Und vielleicht ein klein wenig Mitleid.

Lena sah, wie Dr. Schenker sich an den Heimleiter wandte und ihm etwas zuflüsterte. Nicht leise genug, Lena verstand jedes Wort.

»Mach dir keine Sorgen, Christian, ich werde mich später um sie kümmern.«

Christian nickte und wandte sich wieder an den Rest der Gemeinschaft.

»Nun, habt ihr nicht etwas vergessen? Habe ich euch nicht gerade gesagt, dass Kevin aufgebrochen ist, um seine letzte Prüfung zu bestehen?«, fragte er in die Runde. »Seid ihr nicht auch so überzeugt wie ich, dass Kevin es schaffen wird? Es schaffen wird, ein neuer Mensch zu werden, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen?«

Niemand schaute fragend, alle wussten, was sie zu tun hatten, und so stand einer nach dem anderen auf. Alle stellten sich um den riesigen, mit Zeichnungen und Mustern verzierten Massivholztisch, falteten ihre Hände vor dem Bauch und warteten auf die Gesangseinstimmung des Heimleiters. Alle außer Lena. Das Letzte, was sie tun wollte, war, diesen Leuten das Gefühl zu geben, dass sie ihnen ihre Geschichte glaubte. Eher würde sie sterben.

Der Heimleiter schloss die Augen, einige Bewohner taten es ihm gleich. Dann erklang ein gänsehauterregendes Summen. Eine von lateinischen Versen begleitete Melodie, die Lena immer an Friedhof und Tod erinnerte, erfüllte den Raum.

Als sie die Melodie nicht mehr ertragen konnte, hielt sie sich mit den Händen die Ohren zu, presste die Augen zusammen und wurde kurz darauf von Mikael, der dicht neben ihr stand, sanft wieder zurück in die Realität gerüttelt. Wäre es jemand anderes als er gewesen, wäre Lena jetzt vermutlich ausgerastet. Doch Mikael war anders als die anderen. Er schien sich seit seiner Ankunft vehement dagegen zu wehren, sich von diesen Leute das Gehirn waschen zu lassen und machte seit jeher gute Mine zum bösen Spiel. Vielleicht sollte sie ihm erzählen, was sie gesehen hatte. Vielleicht würde er ihr glauben.

Als das Lied endlich ein Ende nahm, brachte der Heimleiter den riesigen Krug, der schon die ganze Zeit über dem knisternden Feuer des Kamins gekocht hatte, und stellte ihn auf die handgewobene Unterlage, auf die ein zielsicherer, auf einem Hügel stehender Schütze genäht worden war.

Marita, die Assistentin des Heimleiters, nahm den Krug und füllte nacheinander die Tassen, die pingelig genau in der Mitte vor ihren Besitzern auf dem Tisch standen.

»Heute ist Allerheiligen, deswegen wollen wir noch der Toten gedenken, all jenen, die eine große Lücke in unserem Leben hinterlassen haben«, sagte Christian, warf einen bedeutungsvollen Blick in die Runde und hob seine Tasse. »Lasst uns noch einmal an Pascal denken, der auf tragische Weise von uns gegangen ist, kurz bevor er sein neues Leben beginnen konnte.«

Lena sah von Christians Worten ergriffen auf, fühlte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, und musste wieder an Kevin denken. Ihre Sorge um ihn wurde immer größer.

»Und jetzt trinken wir auf Kevin,«, fuhr der Heimleiter fort, »einen Menschen, der uns den Weg weist. Ein Freund, einer von uns, der uns allen beweisen wird, dass sich der Kampf lohnt. Er war ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft.«

* * *

Er war ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft.

Immer wieder rezitierte Lena im Geiste diesen Satz. Kevin war ein wichtiger Teil, nicht: Kevin ist ein wichtiger Teil. Dabei war doch noch gar nicht klar, ob er die letzte Prüfung bestehen würde. Im Augenblick hielt er sich an irgendeinem Ort auf, ganz alleine, wo er etwas tun musste, über das nicht gesprochen wurde. Zumindest wurde das so behauptet, Lena jedoch glaubte ihnen kein Wort.

»Lena, ich weiß, es ist schwierig für dich, weil Kevin nicht mehr da ist. Aber er hätte dir den Erfolg doch genauso gegönnt, meinst du nicht auch?«, fragte Dr. Schenker, die Lena auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs im Büro gegenübersaß. »Aber dir müsste doch klar sein, dass dieser Weg, den Kevin gegangen ist, dir noch viel mehr Schwierigkeiten bereitet. Finde dich damit ab und versuche dein Bestes.«

Lena versuchte, dem Blick der Ärztin auszuweichen. Sie wollte nicht hier sein, wollte sich diesen Mist nicht schon wieder anhören und hatte vorhin noch versucht, Dr. Schenker zu entkommen. Ohne Erfolg.

Sie fragte sich, wieso diese Frau überhaupt hier arbeitete? Was hatte eine Psychiaterin an einem Ort wie diesem verloren? Hatte man sie etwa nur wegen der sogenannten Fälle, wie sie, Lena, angeblich einer war, hier eingestellt?

»Du solltest wenigstens genügend trinken«, fuhr Dr. Schenker fort und füllte Lenas Tasse mit Tee. »Nur zu, der Tee wird dir bestimmt zur Ruhe verhelfen.«

Lena trank die lauwarme Brühe fast in einem Schluck aus. Sie hasste diesen elenden Pfefferminztee, den sie hier jeden Tag tranken. Doch wenn sie sich dieses bittere Zeug antun musste, damit man sie in Ruhe ließ, machte sie das eben.

Sie fühlte, wie der Tee zu wirken begann, ihr Puls sich beruhigte, und ihre Augenlider immer schwerer wurden.

»Also, Lena, sind wir uns jetzt einig?«, hörte sie Dr. Schenkers Stimme wie aus weiter Ferne.

Worüber?, wollte Lena fragen, aber auch ihre Zunge war schwer. Und ihre Lippen schienen aneinanderzukleben.

»Du weißt jetzt, dass Kevin an einem Ort ist, wo es ihm sehr gut geht, ja? Er wollte die letzte Prüfung ablegen, das war ihm sehr wichtig, und ich denke, er wird sie bestehen. Und deswegen wirst du dir nicht noch länger den Kopf über ihn zerbrechen. Versuche, es ihm nachzumachen, Lena, versuche, dein inneres Gleichgewicht zu finden. Auch wenn es dir schwerfällt.«

Die Stimme entfernte sich immer weiter von Lena, und sie dachte ein letztes Mal an Kevin, ihren Kevin, mit dem sie so viele Pläne gemacht hatte. Kevin war fort, okay, aber er war an einem Ort, an dem es ihm gut ging. Dort wollte sie auch hin.

Mit diesem Vorsatz schloss sie die Augen und spürte, wie eine wohlige Wärme ihren Körper durchströmte. Ein Gefühl, das sie zuversichtlich machte. Zuversichtlich, dass auch sie es schaffen konnte, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und die nächste Stufe auf der Leiter in die Freiheit zu erklimmen, um bald ein neues Leben beginnen zu können.